Der Begriff Bildung (siehe auch Bildungsbürgertum) ist eine deutsche "Erfindung". Im Englischen existiert kein Äquivalent: education meint Ausbildung, literacy meint Belesenheit, bzw. lesen lernen.
Bildung bezieht sich auf die deutsche Tradition der Selbstkultivierung (verwandt mit dem deutschen Wort für: Schöpfung, Bild, Gestalt), in der Philosophie und Bildung in einer Weise miteinander verbunden sind, die sich auf einen Prozess sowohl der persönlichen als auch der kulturellen Reifung bezieht. Diese Reifung wird als eine Harmonisierung von Geist und Herz des Individuums und in einer Vereinheitlichung des Selbstseins und der Identität innerhalb der breiteren Gesellschaft beschrieben, wie es in der literarischen Tradition des Bildungsromans zum Ausdruck kommt.
In diesem Sinne wird der Prozess der Harmonisierung von Verstand, Herz, Selbstsein und Identität durch persönliche Transformation erreicht, die eine Herausforderung für die akzeptierten Überzeugungen des Einzelnen darstellt. In Hegels Schriften beinhaltet die Herausforderung des persönlichen Wachstums oft eine quälende Entfremdung vom eigenen "natürlichen Bewusstsein", die zu einer Wiedervereinigung und Entwicklung des Selbst führt. In ähnlicher Weise erfordert die soziale Einheit zwar gut geformte Institutionen, aber auch eine Vielfalt von Individuen mit der Freiheit (im positiven Sinne des Wortes), eine große Vielfalt von Talenten und Fähigkeiten zu entwickeln, und dies erfordert persönliche Handlungsfähigkeit. Allerdings ist sowohl die individuelle als auch die gesellschaftliche Einigung kein Endzustand, sondern ein Prozess, der von unablässigen Negationen angetrieben wird.
In diesem Sinne geht es bei der Bildung um die Formung des Menschen im Hinblick auf sein eigenes Menschsein sowie seine angeborenen intellektuellen Fähigkeiten. Der Begriff verweist also auf einen Prozess des Werdens, der mit einem Prozess des Werdens im Existentialismus in Verbindung gebracht werden kann.
Der Begriff Bildung korrespondiert auch mit dem Humboldtschen Modell der höheren Bildung aus dem Werk des preußischen Philosophen und Bildungsadministrators Wilhelm von Humboldt (1767-1835). In diesem Zusammenhang wird der Begriff der Bildung zu einem lebenslangen Prozess der menschlichen Entwicklung und nicht zu einem bloßen Training zur Aneignung bestimmter äußerer Kenntnisse oder Fähigkeiten. Eine solche Ausbildung in Fähigkeiten ist unter den deutschen Begriffen Erziehung und Ausbildung bekannt. Im Gegensatz dazu wird Bildung als ein Prozess gesehen, in dem die geistigen und kulturellen Sensibilitäten eines Individuums sowie die Lebens-, persönlichen und sozialen Fähigkeiten in einem kontinuierlichen Prozess der Erweiterung und des Wachstums sind. Bildung wird als ein Weg gesehen, durch höhere Selbstreflexion freier zu werden. Von Humboldt schrieb in Bezug auf Bildung 1793/1794:
"Bildung, Wahrheit und Tugend" müssen so weit verbreitet werden, dass der "Begriff der Menschheit" in jedem Einzelnen eine große und würdige Gestalt annimmt (GS, I, S. 284). Dies soll aber von jedem Einzelnen persönlich erreicht werden, der "die große Masse des Stoffes, die ihm von der ihn umgebenden Welt und von seinem inneren Dasein dargeboten wird, mit allen Möglichkeiten seiner Aufnahmefähigkeit aufnehmen muss; er muss dann diesen Stoff mit allen Kräften seiner eigenen Tätigkeit umgestalten und sich aneignen, um eine Wechselwirkung zwischen seiner eigenen Persönlichkeit und der Natur in einer allgemeinsten, tätigen und harmonischen Form zu schaffen".
Am explizitesten in Hegels Schriften lehnt die Bildungstradition die vorkantianische Metaphysik des Seins zugunsten einer postkantianischen Metaphysik der Erfahrung ab, die universelle Erzählungen ablehnt. Ein Großteil von Hegels Schriften handelte von der Natur der Bildung (sowohl Bildung als auch Erziehung), was seine eigene Rolle als Lehrer und Verwalter in deutschen Gymnasien widerspiegelt, und in seinen allgemeineren Schriften.
"Zu denken, dass dieser ganze Reichtum, der Reichtum des ursprünglichen Chaos, um schmackhaft und trinkbar zu sein, mit den homerischen ausführlichen Einzelheiten des Alltags durchdrungen werden muss, mit dem stets wiederholten Drama armseliger Menschlein, deren Leiden und Bestreben, selbst für sterbliche Ohren das monotone Klappern von Windmühlen im erbarmungslosen Raum haben!
Die Kleinen und die Großen - nur durch winzige Zwischenräume getrennt. Alexander stirbt in den trostlosen Weiten Asiens an Lungenentzündung. Caesar in seinem Purpur wird durch eine Schar von Verrätern als sterblich erwiesen. Blake singt auf dem Sterbebett. Damien wird aufs Rad geflochten und kreischt wie tausend Adler, denen die Gelenke verdreht werden. Was macht das aus, und wer kümmert sich darum? Ein Sokrates, der an ein zänkisches Weib gefesselt ist, ein Heiliger, der mit tausend Plagen behaftet ist, ein Prophet, der geteert und gefedert wird...wozu das alles?
Alles Korn für die klappernde Mühle, Daten für Geschichtsschreiber und Chronisten, Gift für das Kind, Kaviar für den Schulmeister. Und hiermit und hierdurch torkelt der Schriftsteller wie ein erleuchteter Trunkenbold auf seinem Weg weiter und erzählt seine Geschichte, lebt und atmet, wird geehrt oder verfemt. Was für eine Rolle! Gott schütze uns!"
Quelle Text: Nexus, Henry Miller (1891-1980), Rowohlt Verlag, S.132, (deutsch: Kurt Wagenseil)