Die Känguru-Chroniken bezeichnen 4 Bände von Marc-Uwe Kling über das titelgebende Beuteltier mit einer kommunistischen & subversiven Gesinnung, das in einer WG mit seinem „Chronisten“ lebt.
- Die Känguru-Chroniken: Ansichten eines vorlauten Beuteltiers (2009)
- Das Känguru-Manifest (2011)
- Die Känguru-Offenbarung (2014)
- Die Känguru-Apokryphen (2018)
Die Geschichten wurden ursprünglich als wöchentlicher Podcast "Neues vom Känguru" auf dem Berliner Radiosender Fritz ausgestrahlt. Im Jahr 2010 wurde der Podcast mit dem Deutschen Radiopreis in der Kategorie "Beste Comedy" ausgezeichnet.
Handlung
Die Känguru Chroniken
Die Geschichte beginnt damit, dass Marc-Uwe Kling einem Känguru die Tür öffnet. Es erklärt, dass es sich gerne ein paar Eier von ihm leihen würde, da es Pfannkuchen machen möchte, aber nicht daran gedacht hat, Eier zu kaufen. Der Autor ist verblüfft von dem sprechenden Tier, reagiert aber schnell und holt ein paar Eier für seinen neuen Nachbarn. Kurz nachdem er die Tür geschlossen hat, klingelt es erneut - das Känguru braucht auch etwas Salz, Milch, Mehl, Öl und eine Pfanne. Marc-Uwe hilft gerne aus, schnappt sich die Zutaten und die Pfanne und gibt sie dem Känguru. Bevor er sich auch nur einen Zentimeter von der Tür entfernt hat, klingelt es schon wieder. Das Känguru hat noch keinen Herd. Marc-Uwe bittet seinen Nachbarn in die Küche - eine folgenschwere Entscheidung, denn später zieht das Känguru bei ihm ein, ohne um Erlaubnis zu fragen, und die beiden werden WG-Mitbewohner.
Das Känguru weigert sich, einer festen Anstellung nachzugehen, und sagt auf Nachfrage einfach: "Ich bin Kommunist. Hast du was dagegen?" Als solcher ist der Autor für den Lebensunterhalt des Kängurus verantwortlich. Die Chroniken berichten von ihren Gesprächen und gemeinsamen Erlebnissen, meist in direkter Rede. Jedes Kapitel ist eine in sich abgeschlossene Kurzgeschichte, aber sie bauen aufeinander auf. In einer Geschichte zieht der Autor zum Beispiel ein Buch aus einer kuscheligen Socke heraus und bezieht sich damit auf ein früheres Kapitel, in dem er erwähnt, dass er seine Bücher in kuscheligen Socken aufbewahrt, damit sie nicht aus seinem schiefen Regal rutschen. Diese verbindenden Elemente, die sich auf Kasperlezeilen aus früheren Geschichten beziehen und Wissen über frühere Ereignisse voraussetzen, tauchen als Running Gags in den Büchern auf.
Die Geschichte spielt in Berlin und erwähnt gelegentlich konkrete geografische Orte, wie Berlin-Kreuzberg oder den U-Bahnhof Kottbusser Tor.
Die Beziehung zwischen Marc-Uwe und dem Känguru ist geprägt von Gezänk, Eifersucht und viel Zeit miteinander verbringen - ein bisschen wie in einer stereotypen Ehe. Ihre Gesprächsthemen reichen von Medien- und Sprachkritik über Kapitalismus, Lebens- und Glaubensfragen, zeitgenössische Protestkultur, Karl Marx, Bertold Brecht, die Rote Armee Fraktion und den Vietcong.
Gegen Ende des Buches werden die beiden mit einem neuen Nachbarn konfrontiert - dem Pinguin. Er stellt sich als Vertreter für Tiefkühlkost vor, doch sowohl Marc-Uwe als auch das Känguru sind sofort misstrauisch.
Das Känguru Manifest
Der zweite Band knüpft dort an, wo der erste endet. Der Leser erfährt vom fiktiven Ministerium für Produktivität, das mit der Initiative für mehr Arbeit gegen Arbeitslose vorgehen will. Währenddessen entwickelt sich eine Rivalität zwischen dem Känguru und dem Pinguin. So stellt das Känguru seinen Boxsack so auf, dass er bei jedem Schlag gegen die gemeinsame Wand stößt. Im Gegenzug stellt der Pinguin mehrere Wecker an die Wand, um das Känguru zu wecken. Marc-Uwes Redakteur suggeriert dem Känguru, dass der Pinguin sein Erzfeind ist, der seinen kapitalistischen Weltverschlechterungsplan vorantreibt.
Bei einer Preisverleihung, die Marc-Uwe und das Känguru als Nominierte für das "Beste Buch mit einem sprechenden Tier" besuchen, lernen sie Jörg und Jörn Dwigs kennen - Brüder, die die rechtspopulistische Partei Sicherheit und Verantwortung gegründet haben. Das inspiriert das Känguru dazu, das Asoziale Netzwerk zu gründen - eine Gruppe, die "Anti-Terror-Anschläge" gegen "Das System" verübt. Die SV wird bei den nächsten Wahlen ins Parlament gewählt und plant, Ausländer in zwei Gruppen zu kategorisieren: produktiv oder unproduktiv. Das Ministerium für Produktivität setzt diesen Plan um, trotz der Bemühungen des Anti-Sozialen Netzwerks, seine Datenbanken zu zerstören.
Am Ende des Buches wird das Känguru, das immer noch glaubt, dass der Pinguin der Kopf der Kampagne ist, als unproduktiv eingestuft und abgeschoben.
Die Känguru-Offenbarung
Offenbarung I
Zu Beginn von Offenbarung I ist Marc-Uwe bereits seit einigen Monaten allein und leidet unter Depressionen. Doch schon bald kehrt das Känguru zurück. Da es nun ein illegaler Einwanderer ist, ist es auf eine Reihe von Verkleidungen angewiesen, um der Abschiebung zu entgehen. Schnell stellen die beiden fest, dass der Pinguin nicht mehr in seiner Wohnung lebt, und machen es sich zur Aufgabe, ihn zu finden. Sie folgen keinem festen Plan oder einer Strategie, sondern suchen einfach an vielen verschiedenen Orten - doch wo auch immer sie landen, sie scheinen den Pinguin knapp verpasst zu haben. Am Ende von Teil 1 bittet Marc-Uwes Lektor um mehr "Grandeur", und so setzen die Mitbewohner in Offenbarung II ihre Suche im Ausland fort.
Offenbarung II
Marc-Uwe und das Känguru besuchen New York City, Toronto, Brüssel, Seattle und Caracas, dann wieder Toronto und schließlich Ho-Chi-Minh-Stadt. Es stellt sich heraus, dass sich das Anti-Social Network in regionale Gruppen auf der ganzen Welt verzweigt hat, und sie treffen in New York und Toronto auf weitere Mitglieder. In Ho-Chi-Minh-Stadt finden Marc-Uwe und das Känguru eine Fabrik, die vom Pinguin betrieben wird. Um herauszufinden, was dort hergestellt wird, folgen sie der Lieferkette und erreichen schließlich eine Insel in der Ägäis. Das Känguru entwickelt die Theorie, dass der Pinguin und seine Komplizen die ganze Welt in einen Flughafen verwandeln wollen. Marc-Uwe und das Känguru finden das Hauptquartier der Pinguine, wo es sich herausstellt, dass sie kleine Pinguine züchten. Marc-Uwe und das Känguru entkommen der Pinguin-Fabrik nur knapp und schaffen es nur mit Hilfe eines verräterischen Pinguins. Schließlich machen sie sich auf den Weg ins Outback, wo sie auf eine unabhängige Gruppe von Kängurus treffen, die ebenfalls gegen "Das System" und die Pinguine kämpfen.
Anhang
Die Offenbarung enthält auch einen Anhang, der Angriffe gegen die verschiedenen Feinde des Kängurus beschreibt. Der letzte Teil dieses Anhangs beschreibt die Sabotage des ersten Flughafens der Pinguine durch das Kängurus.
Die Känguru-Apokryphen
Der vierte Band besteht aus 30 verschiedenen Geschichten, die im Großen und Ganzen nicht in chronologischer Reihenfolge angeordnet sind. Dennoch werden einige zusammenhängende Geschichten, zum Beispiel die mit Dietmar Kötke, chronologisch erzählt. Einige der Geschichten spielen in der Zeit der Chronik, andere aber auch nach dem Ende der Offenbarung. Die Apokryphen enthalten auch einige Geschichten aus früheren Bänden, die aus der Perspektive des Kängurus neu erzählt werden.
Charaktere
Marc-Uwe
Der Protagonist der Chroniken ist der Ich-Erzähler Marc-Uwe. Er wird als gebildeter, kritischer, selbstreflektierender Intellektueller in seinen späten Zwanzigern charakterisiert. Marc-Uwe ist Mitglied der Berliner Kleinkunstszene (u.a. Poetry Slam, Kabarett und Comedy). Er wurde in Baden-Württemberg geboren und lebt jetzt in einer Wohnung in Berlin. Das Geld ist meist knapp, das ändert sich auch nicht, wenn das Känguru einzieht, denn es verdient kein Geld und lässt Marc-Uwe alles bezahlen.
Marc-Uwe liest dem Känguru gerne seine Gedichte vor und erzählt ihm von seinen Gedanken, Plänen und Ideen, die das Känguru gerne rücksichtslos kritisiert. Es kommt hin und wieder vor, dass die beiden in ihren Debatten ebenbürtig sind, jedoch neigt das Känguru dazu, die meisten Diskussionen zu gewinnen, da es beim unfaire und bösartige Techniken anwendet.
Das Känguru
Das Känguru kämpfte angeblich im Vietnamkrieg auf der Seite des Vietcong, und kam nach Kriegsende als Vertragsarbeiter mit seiner Mutter in die DDR. Es ist ein unerbittlicher Kapitalismuskritiker und kämpft für eine gerechte Weltordnung, Brot für alle und das Verbot des so genannten Musikfernsehens.
Das Känguru liebt Schnapspralinen, Schnitzelbrötchen, sowie die Band Nirvana und Filme mit Bud Spencer - vorzugsweise ohne Terence Hill. Es ist belesen, argumentiert radikal und konsequent, benimmt sich aber gleichzeitig kindisch, trotzig und zickig. In brenzligen Situationen hilft das Känguru jedoch selbstlos seinem Mitbewohner. Es trägt immer eine Menge Zeug in seinem Beutel mit sich herum. Bis das Känguru das findet, was es gerade braucht, muss es oft lange suchen und holt dann Bücher, Bolzenschneider, Zeitungen, gestohlene Aschenbecher und vieles mehr heraus. In vielen Fällen kommen die roten Boxhandschuhe zum Einsatz, die es meist zielsicher findet.
Es arbeitet an einem Magnum Opus, das, so das Känguru, die beiden menschlichen Hauptantriebskräfte im Titel trägt: "Opportunismus und Verdrängung". Das Känguru neigt dazu, kleinere Passagen daraus zu zitieren.
Fazit
Obwohl jede Kurzgeschichte für sich verständlich bleibt, beginnt Kling ab dem zweiten Band einen übergreifenden Handlungsstrang zu entwickeln. Im im ersten Band geht es vor allem um Schilderungen des Berliner Alltags. Ab dem zweiten Band werden verschiedene fiktive, quasi-realistische Organisationen und Institutionen eingeführt.
Selten war Gesellschaftskritik so geistreich und pointiert. Die Kolumnen sind eloquent, amüsant und temporeich. Kling schreibt subtil überspitzt und radikal direkt. In Bezug auf seinen Humor sind die Bücher nicht nur alternativlos, sondern auch konkurrenzlos.
Legendär sind auch die absichtlich "falsch" zugeordneten Zitate (ab dem Känguru-Manifest), die das Känguru teilweise mit Graffiti-Spray auf Wänden oder Scheiben verewigt. Beispiel:
"Ich denke, also bin ich." - Til Schweiger (in Wirklichkeit natürlich von René Descartes).
Verfilmung
Im März 2020 kam die Filmkomödie des Schweizer Regisseurs Dani Levy in die Kinos. Es handelt sich um eine Kombination aus Realfilm und Computeranimation. Der Film ist ein moderater Abklatsch der Bücher, die Liebesgeschichte bleibt unterkühlt, der Humor beruht meistens auf billigen Klamauk, und insgesamt wird der "Stil" der Chroniken nicht annähernd erreicht.
Autor
Marc-Uwe Kling (* 1982) ist ein deutscher Liedermacher, Autor und Kabarettist (politische Stand-up-Comedy). Er studierte Philosophie und Theaterwissenschaften an der Freien Universität Berlin.
Seit 2003 tritt Kling regelmäßig auf verschiedenen Bühnen in Berlin auf. Häufig tritt er bei Literatur- und Kabarettveranstaltungen sowie bei Poetry Slams auf. 2004 gründete er die Veranstaltungsreihe Lesedüne (ein Wortspiel aus Lesebühne und Düne). Seit 2005 tourt Kling mit seinem Programm Wenn alle Stricke reißen, kann man sich nicht mal mehr aufhängen, das auch der Titel seines ersten Albums ist. Jeden ersten Dienstag im Monat organisiert und moderiert er den Kreuzberger Slam im Lido (ehemals Kato) und jeden ersten Mittwoch den Poetry Slam des Studentischen Kulturzentrums in Potsdam.
Im Jahr 2017 veröffentlichte Kling einen komödiantischen dystopischen Roman mit dem Titel QualityLand. Im März 2019 kündigte HBO an, eine Serie basierend auf dem Buch unter der Regie von Mike Judge zu produzieren.
Weitere Bücher
Zusammenfassung / Kritik / Review / Inhalt / Handlung
- Der Vorleser - Bernhard Schlink
- Die Karte meiner Träume - Reif Larsen
- Die Chemie des Todes - Simon Beckett
- Charlie und die Schokoladenfabrik - Roald Dahl
- Lassen Sie mich es so Sagen - Georg Schramm