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Dolf Verroen: „Wie schön weiß ich bin“

Autor: Anna Honke
abgelegt in: Kinderbücher

Das Jugendbuch von Dolf Verroen „Wie schön weiß ich bin“ behandelt auf unkonventionelle Art und Weise das Thema Rassismus während der Kolonialzeit.

Der niederländische Schriftsteller, Dolf Verroen, der für „Wie schön weiß ich bin“, zu Recht mit dem „Deutschen Jugendliteraturpreis“ und dem „Gustav-Heinemann-Friedenspreis für Kinder- und Jugendliteratur“ ausgezeichnet wurde, befasst sich in seinem Buch mit dem Thema Rassismus in der Kolonialzeit, wie es bisher kein anderer Autor, zumindest nicht für Kinder und Jugendliche, getan hat. Verroen lässt in seinem Buch, das irgendwann im 19. Jahrhundert im heutigen Surinam spielt, das kleine Mädchen Maria in tagebuchähnlichen Einträgen, zu Wort kommen.

„Wie schön weiß ich bin“ – Ein Sklave zum 12. Geburtstag

Maria feiert ihren 12. Geburtstag. Sie bekommt viele Geschenke. Von der Mutter bekommt sie eine Halskette, von den Großeltern eine Bibel, von Tante Erda gibt es eine „Fast-Schon-Große-Dame-Handtasche“, doch das Beste von allen Geschenken bekommt sie von ihrem Vater. Es wird von vier Sklaven in einer Terrine mit Deckel hereingetragen. In der Terrine sitzt ein „kleines Menschlein.“ „Das ist Koko, sagte Papa. Ein kleiner Sklave für unsere Maria. Von Tante Elisabeth bekam ich eine kleine Peitsche. Sie war leider etwas zu groß für die Handtasche. Schade.” Maria ist nun die Besitzerin des Jungen und kann mit ihm machen was sie will. Weckt er sie ausversehen, schlägt sie ihn. Fällt einer anderen Sklavin ein Stück Kuchen runter, kann Koko es wie ein Hund auflecken. Sowieso ist Koko „dumm, dumm, dumm“, weil er nicht weiß wo er geboren ist. Nach einiger Zeit wird Koko Maria zu langweilig und sie tauscht ihn aus, gegen ein Sklavenmädchen.

Brutalität und Naivität

Was Verroen in diesen 40 aneinandergereihten, tagebuchähnlichen Beobachtungen aus Marias Perspektive macht, ist für den Leser zunächst neu. Mit einer sehr einfachen Sprache und kurzen Texten lässt Verroen das Buch fast wie ein Kinderbuch erscheinen, doch damit haben wir es hier nicht zu tun. Es wird aus der uneingeschränkten und unzensierten Sicht des kleinen Mädchens geschildert, was dabei hilft, die Muster in der Entstehung von Rassismus aufzudecken. Vom Vater, der sich schöne Sklavinnen als Geliebte ins Haus holt und der Mutter, die sich an einer Sklavin auf brutale Art und Wiese rächt und der damaligen Gesellschaft, wird Maria das Halten von und der Umgang mit Sklaven vorgelebt. Es ist genau dieser Kontrast zwischen Marias Naivität, wie sie die Strukturen übernimmt, ohne sie zu hinterfragen und der Selbstverständlichkeit mit der sie ihre rassistischen Muster von Gewalt auslebt, die dem Buch eine Tiefe geben.

Und die Moral von der Geschichte?

Verroen beschreibt präzise und ohne erhobenen Zeigefinger eine Welt die noch gar nicht allzu sehr zurückliegt, in der Rassismus aber etwas Selbstverständliches ist. Wer in diesem Buch nach einer versteckten oder offenkundigen Moral sucht, wird dies vergeblich tun. Verroen stellt Maria nicht, wie andere Autoren es vielleicht tun würden, einen Sympathieträger gegenüber. Dadurch ist die Geschichte noch düsterer, denn es fehlt eine Trennung von Gut und Böse. Dies macht es für kleine Kinder nicht geeignet macht.
Vom Verlag ist es ab 12 Jahren „freigegeben“, doch es gibt im Internet Diskussionen darüber, ob Kinder diese grausame Überlegenheit von Marias im Zusammenhang mit den kolonialen Strukturen verstehen. Es ist meiner Meinung nach daher notwendig, dieses anspruchsvolle, wertvolle und bereichernde Buch, mit Kindern und Jugendlichen, nachzubereiten.

Verroen, Dolf (2006): Wie schön weiß ich bin. Peter Hammer Verlag, Wuppertal.


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