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Der Medicus (1986) ist ein historischer Roman von Noah Gordon (860 Seiten; englischer Originaltitel: The Physician).
Es ist der erste Band einer Trilogie (gefolgt von "Der Schamane" (1992) und "Die Erben des Medicus" (1995)), welche sich mit der fiktiven Mediziner-Dynastie der Familie Cole beschäftigt.

Zusammenfassung

Der Roman spielt im ersten Viertel des 11. Jahrhunderts. Er deckt eine weite geographische Spanne ab, beginnt in London, führt den Leser durch England und schließlich quer durch Europa über Konstantinopel nach Persien, dann nach Indien und zurück nach London und schließlich nach Schottland.

Die Hauptfigur ist der junge Rob J. Cole der in London aufwächst. Als innerhalb kurzer Zeit seine Eltern sterben, wird er als Waise von einem reisenden Baderchirurgen (einer Art Arzt für die untersten Schichten) als Lehrling aufgenommen und lernt das Handwerk der Heilkunst. Rob J. hat außerdem eine besondere Gabe, die er kurz vor dem Tod seiner Mutter entdeckt - er kann spüren, wenn Menschen sterben. Er kämpft in seiner neuen Rolle als Bader-Chirurg (es fällt ihm schwer, das Jonglieren zu beherrschen, was wichtig ist, um Menschenmassen anzuziehen), aber schließlich wird er von der Idee besessen, Menschen zu heilen, nachdem er einen jüdischen Arzt trifft, der eine Katarakt-Operation durchführen kann.

Als sein Lehrmeister stirbt, beschließt Rob J., in Ispahan zu studieren und von Ibn Sina (genannt Avicenna) zu lernen, dem bedeutendsten Arzt der damaligen Zeit. Die Komplikation besteht darin, dass die katholische Kirche den Christen verbietet, in "heidnischen" Einrichtungen zu studieren, also muss sich Rob J. als Jude verkleiden. Rob J. lernt auf seinen, einige Jahre andauernden, Reisen und beim Studium der persischen Sprache einige jüdische Gebräuche kennen und gibt sich als Jude aus. Schließlich wird Rob J. Arzt, nur um zu entdecken, dass seine Fähigkeiten in London nicht erwünscht/angesehen sind, wo er der Hexerei verdächtigt wird und er flieht nach Schottland, wo er unbehelligt Medizin praktizieren kann.

Handlung

Teil 1: Der Gehilfe des Baders

Es ist das Jahr 1020. Rob Cole ist das älteste von vielen Kindern. Sein Vater ist ein Schreiner in der Gilde der Tischler in London. Robert hat eine besondere Gabe: Er kann spüren, wann jemand sterben wird. Als sowohl seine Mutter,Agnes Cole, als auch sein Vater sterben, wird der Cole-Haushalt und die Kinder an verschiedene Nachbarn und Freunde aufgeteilt.

Rob wird von dem einzigen genommen, der ihn haben will: einem reisenden Bader-Chirurgen. Er ist ein fleischiger Mann mit fleischigem Appetit und großer Lebensfreude. Für die nächsten Jahre nimmt er Rob als seinen Lehrling auf. Er bringt dem Jungen bei, zu jonglieren, Karikaturen zu zeichnen, Geschichten zu erzählen, ein Publikum zu unterhalten - alles mit dem Ziel das "Nostrum" zu verkaufen, mit dem sie ihren Lebensunterhalt verdienen. Außerdem bringt Robert alles bei, was er über Medizin weiß - und das ist wenig.

Als Barber stirbt, übernimmt Rob seine reisende Medizin-Show. Aber er ist rastlos und möchte mehr über die Medizin wissen. Er trifft einen jüdischen Arzt in Malmesbury, der ihm von Schulen (Madrasahs) in Córdoba, Toledo und sogar im fernen Persien erzählt, in denen das medizinische und wissenschaftliche Wissen der Muslime gelehrt wird.
Unglücklicherweise sind diese Schulen nicht nur Welten entfernt, sondern nehmen auch keine Christen auf - und selbst wenn sie es täten, würde kein Land der Christenheit einer Person mit solch heidnischer Ausbildung die Rückkehr erlauben.

In einem Moment der Erleuchtung beschließt Rob, die Gestalt eines jüdischen Studenten anzunehmen, um nach Persien zu reisen und bei Avicenna (Ibn Sina) zu studieren. Diese Entscheidung birgt ihre eigenen Risiken: Während Juden in der muslimischen Welt im Allgemeinen mehr Freiheit zugestanden wurde als im christlichen Europa, müsste Rob immer noch Europa durchqueren, wo Juden routinemäßig mit Ritualmorden, Vertreibungen und Zwangskonvertierungen konfrontiert waren.

Teil 2: Die lange Reise

Rob reist als Christ von London quer durch Europa nach Konstantinopel. Hier wird er zum Schein Jude und reist mit einer Gruppe jüdischer Kaufleute nach Osten und adaptiert ihre Lebensweise, so gut er kann.

Er trifft auch eine junge Frau namens Mary Margaret Cullen, die mit ihrem Vater unterwegs war, auf der Suche nach türkischen Schafen. Die beiden verlieben sich ineinander und werden ein heimliches Liebespaar, doch als Mary, über ihrem Vater, Rob einen Heiratsantrag macht, weist er sie mit den Worten zurück, er müsse Medizin studieren und erzählt ihr von seinen Plänen. Die Cullens verlassen die Karawane und Rob setzt seine Reise fort.

Teil 3: Isfahan

Rob kommt in der Stadt Isfahan, im Herzen des Abbasiden-Kalifats (im heutigen Iran), an und versucht, in die dortige Schule der Ärzte einzutreten. Der Zutritt wird ihm verwehrt. Er kämpft in der Stadt ums Überleben, obdachlos, während er nach einem Weg sucht, die Schule zu betreten.

Teil 4: Der Maristan

Eine zufällige Begegnung mit dem Schah von Persien öffnet für Rob die Tür zur Schule der Ärzte (Bimaristan). Hier beginnt er das Studium der Medizin - das erste formale Studium, das er je in seinem Leben hatte. Zugleich taucht er in das Leben eines persischen Juden ein.

Teil 5: Der Feldscher

Vergleichbar mit einer chirurgischen Facharztausbildung oder einem ähnlichen Praktikum, geht Rob in ein vom Krieg (und der Pest) heimgesuchtes Land, um sein medizinisches Wissen anzuwenden. Seine Reisen mit den Armeen des Schahs führen ihn bis nach Indien, wo er auf Elefanten, Gewürze und Wootz-Stahl trifft. Er findet Freunde unter den muslimischen Studenten der Schule.

Nach seiner Rückkehr begegnet er Mary, die ihren Vater verloren hat. Da sie nirgendwo hin kann und sie sich zu lieben scheinen, obwohl sie Christin ist, gehen sie eine Liaison ein und heiraten heimlich. Mary kommt in der neuen Stadt nicht gut zurecht, denn sie wird verachtet, weil sie rothaarig ist. Ungeachtet dessen wird Mary schwanger und bringt das Kind zur Welt, während Rob in Indien als Arzt tätig ist und zum ersten Mal das Herz einer Leiche berührt.

Teil 6: Hakim

Rob ist als als Arzt anerkannt und hilft, neue Ärzte in der Schule zu unterrichten. Der Sohn von Rob und Mary heißt Robert James Cole. Irgendwann wird sie von Ibn Sina aufgesucht, der ihr erzählt, dass der Schah ihre Anwesenheit verlangt, da er sonst Rob töten würde. Mary versteht, dass dies bedeutet, dass der Schah Sex mit ihr haben will und geht zu ihm. Nachdem sie Sex mit dem Schah hatte, wird sie schwanger. Als das Kind, das Thomas Scott heißt, geboren wird, schickt der Schah einen Teppich, und Rob erkennt, dass Thomas nicht sein Sohn ist. Mary macht ihm jedoch begreiflich, dass sie ihrer beider Leben geschützt hat.

Bald darauf stirbt Avicenna, und Isfahan wird von einem rivalisierenden König erobert. Rob, seine Frau und Kinder fliehen vor den Vergewaltigungen und Plünderungen und machen sich auf den mühsamen Weg zurück nach England.

Teil 7: Die Heimkehrer

Zurück in London versucht Rob seine verlorenen Geschwister zu finden. Er kämpft auch darum, seinen Platz unter den jämmerlich unwissenden Ärzten zu finden. Verzweifelt zieht er schließlich mit seiner Frau und seiner Familie nach Schottland, wo er als Arzt für das Volk hoch in den Bergen tätig ist.

Fazit

Der Roman ist lang und sehr ausführlich, ohne in „Plaudereien“ abzugleiten. Gordon entführt den Leser in die Zeit des Mittelalters und schafft eine Atmosphäre, die sich sehr authentisch anfühlt. Er beschreibt die damalige Mentalität schonungslos: Gefängnisse, Huren, brutale Gesetze usw. finden Platz zwischen den atmosphärisch dicht beschriebenen Zeilen. Die Charaktere sind differenziert dargestellt und das Buch liest sich sehr flüssig.

Verfilmung

Unter der Regie von Philipp Stölzl wurde das Buch verfilmt. Die Hauptrollen übernahmen Tom Payne, Ben Kingsley und Olivier Martinez. Siehe Filmkritik Der Medicus (2013).

 

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